Pegida

Rechtes Netz

Die Flüchtlingsdebatte spaltet Deutschland. Das wird vor allem auf Facebook sichtbar. BR Data hat anhand der Seite von Pegida Nürnberg einen Teil des rechtspopulistischen Kosmos untersucht und ein Netzwerk identifiziert, in dem etablierte Parteien und Medien kaum mehr eine Rolle spielen.

– von Niels Ringler, Kira Schacht, Oliver Schnuck, Robert Schöffel (BR Data)

Als der Österreicher Felix Baumgartner 2012 zu einem Fallschirmsprung aus 38 Kilometern Höhe ansetzte, verfolgten acht Millionen Menschen die atemberaubende Aktion im Livestream. Nicht wenige von ihnen wurden Fans des Extremsportlers auf Facebook, satte 1,5 Millionen Likes zählt die Seite heute. Mehrere Hundert davon kommen von Leuten, die zugleich auch Fans der Seite von Pegida Nürnberg sind – was wohl kein Zufall ist. Denn in den vergangenen Monaten machte Baumgartner weniger mit sportlichen Leistungen, dafür aber mit Kritik an Angela Merkel und Unterstützung für die rechtslastige Identitäre Bewegung von sich reden. Geäußert via Facebook.

Die Baumgartner-Fans sind Teil eines Datensatzes, der BR Data vorliegt. Darin sind die Likes von mehr als der Hälfte der 11.500 Facebook-Fans von Pegida Nürnberg abgebildet, dem größten Ableger der rechtspopulistischen Bewegung in Bayern. Insgesamt enthält der Datensatz 5.880 Profile und 670.000 verschiedene Seiten. Ein tiefer Einblick nicht nur in die fränkische Pegida-Szene, sondern auch in die Struktur des Rechtspopulismus auf Facebook.

Abkehr von etablierten Institutionen

Wie unscharf die Trennlinie zwischen der Organisation Pegida und der Partei AfD verläuft, zeigt sich in der Zahl der gemeinsamen Fans. Über die Hälfte der Anhänger von Pegida Nürnberg ist auch Fan der offiziellen Bundesseite der AfD. Die Seiten der AfD-Politikerinnen Frauke Petry und Beatrix von Storch stehen unter Pegida-Fans ebenfalls hoch im Kurs – ebenso wie rechtspopulistische Politiker aus Nachbarländern. Der real vollzogene Schulterschluss von Rechtspopulisten in Europa spiegelt sich somit auch auf Facebook wider.

Seiten-NameLikes
Alternative für Deutschland AfD2986
Dr. Frauke Petry2760
Beatrix von Storch2129
HC Strache2057
PEGIDA Hamburg2020
Pegida NRW2010
Ignaz Bearth (offiziell)1995
JUNGE FREIHEIT1924
Harald Vilimsky1906
AfD Bayern1824

Legt man den Fokus ausschließlich auf Medienseiten, so fällt die starke Präsenz des Wochenmagazins Junge Freiheit und der deutschen Ausgabe von Russia Today (RT Deutsch) auf. Beide haben zwar insgesamt deutlich weniger Likes als beispielsweise N24, vereinen aber wesentlich mehr Fans von Pegida Nürnberg auf sich. Mit The Epoch Times, dem Compact-Magazin, Sputnik Deutschland, dem Kopp-Verlag und unzensuriert.at sind weitere Medien, die für sogenannte alternative Nachrichten stehen, unter den beliebtesten Informationsseiten. An die Schlagkraft der Politiker selbst kommen sie in der von uns untersuchten Gruppe aber nicht heran. Hier wird deutlich, dass die politische Kommunikation nicht mehr auf klassische Nachrichtenmedien als Vermittler angewiesen ist – die direkte Ansprache ist der neue Weg.

Zulauf vom rechten Rand

Während die beliebtesten Seiten leicht zu identifizieren sind, finden sich im Datensatz hunderttausende kleinere Seiten, die auf den ersten Blick nur schwer einzuordnen sind. Bei vielen davon handelt es sich um Regional- oder Ortsverbände von Parteien. Alleine die AfD taucht mit fast 700 verschiedenen Seiten in dem Datensatz auf. Für sich genommen haben sie nur wenige Fans. Fasst man sie jedoch zu Clustern zusammen, gruppiert man zum Beispiel alle Ortsverbände, treten deutliche Tendenzen hervor. Zum Beispiel wird so die Rolle der NPD sichtbar: Jeder dritte Pegida-Anhänger ist auch Fan einer NPD-Seite. Fast alle davon liken auch die AfD.

Die interaktive Grafik zeigt, wie sich die Likes auf rechtspopulistische und rechtsextreme Seiten verteilen – und wie groß die jeweilige Überschneidung ist.

Personen liken
davon liken Personen auch

beide

Auch Markus Schäfert, der Sprecher des Landesamts für Verfassungsschutz Bayern, warnt vor einer möglichen Radikalisierung: „Wir sehen verstärkt seit Herbst letzten Jahres im Zusammenhang mit der Flüchtlingsthematik ein Ausfransen der rechtsextremistischen Szene in ein Umfeld hinein, wo wir es mit Einzelpersonen zu tun haben, die nicht fest verankert sind in rechtsextremistischen Strukturen, dieser Ideologie aber nahe stehen und sich in den eigenen vier Wänden radikalisieren.“

Außerdem wird durch das Gruppieren von Seiten eines der Hauptnarrative des Rechtspopulismus sichtbar: Anti-Merkel, Anti-Asylheime, Anti-Islam – das Dagegensein, das bereits im Titel Pegida („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) enthalten ist. Und das Besetzen von Konsensthemen wie Tierschutz, mit denen einen breiteres Publikum angesprochen werden soll.

Vernetzung als Strategie

Was die rechtspopulistische Bewegung offensichtlich geschafft hat, ist eine breite Vernetzung von Vereinen, Parteien, Personen. Auch das ist kein Zufall. Pegida-Initiator Lutz Bachmann sagte im November auf einem Kongress des Compact-Magazins: „Es gibt drei Elemente, die wir brauchen: Das eine ist der parlamentarische Arm, was in Deutschland die AfD ist, (…) wir haben den zweiten Arm, das ist Pegida, wir müssen auf der Straße den Druck erhöhen (…). Und dann gibt es einen dritten Arm, das ist die Identitäre Bewegung, das sind die sogenannten (...) Aktivisten, die wirklich was tun. Und wenn diese drei Arme Hand in Hand und Arm in Arm gehen, dann werden wir was bewegen in dem Land.“

Die NPD hat Bachmann in dieser Rede nicht erwähnt. Auch sie spielt aber eine wichtige Rolle. Annähernd 80 Prozent der Anhänger von Pegida Nürnberg gefallen ebenfalls Seiten aus den Clustern AfD, Identitäre Bewegung oder NPD.

Das rechte Netzwerk der Fans von Pegida Nürnberg

Netzwerk

Die Sozialwissenschaftlerin Beate Küpper von der Hochschule Niederrhein ist Mitverfasserin einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zu rechtsextremen und menschenfeindlichen Einstellungen in Deutschland. Küpper ist der Meinung, dass die Rechtspopulisten mit der Strategie der Vernetzung durchaus Erfolg haben könnten: „Das ist wie in jedem Klassenraum: Wenn Sie zwei, drei laute Störer haben, dann geht die ganze Aufmerksamkeit auf die. Und irgendwann – und das ist die Gefahr – wird die große Mehrheit, die eigentlich konstruktiv denkt und konstruktiv mitarbeitet, frustriert.“

Nicht anders funktioniert das auf Facebook, wo Vernetzung zu höherer Reichweite und damit zu gehöriger Lautstärke führt. Der Bayerische Verfassungsschutz betrachtet die Entwicklung mit Sorge, „weil die Leute sich nur noch unter ihresgleichen im Netz bewegen, weil sich dadurch extremistische Meinungen verfestigen können und es sozusagen auch gar kein Korrektiv mehr gibt“, so Pressesprecher Markus Schäfert. Erst vor kurzem hat der bayerische Verfassungsschutz ein Sachgebiet eingerichtet, das sich dem Rechtsextremismus im Netz widmet.